Während die Regierung dieser Tage schon die Rettung der AUVA verkündete, herrscht in der Unfallversicherung weiterhin Chaos. Grund dafür sind interne Machtkämpfe
hätte alles viel schlimmer kommen können. Im April schien die Zerschlagung des Sozialversicherungsträgers AUVA bereits beschlossene Sache zu sein. Gleich darauf war zumindest von der Schließung einiger Unfallkrankenhäuser die Rede. Dann sollte die Präventionsarbeit der Unfallversicherung in fremde Hände wandern. Jetzt, vier Monate danach, sieht die Welt wieder ganz anders aus. Von den geforderten – und angeblich unverhandelbaren – 500 Millionen Euro an Einsparungen sind noch 428 Millionen übrig. Davon soll die AUVA 100 Millionen – also die Summe, die durch die Kürzung der Arbeitgeberbeiträge von 1,3 auf 1,2 Prozent im Budget fehlt -liefern. Der Rest soll über gesetzliche Maßnahmen hereinkommen. Auch die befürchteten Einsparungen beim medizinischen Personal sollen bloß mit Pensionierungen abgefangen werden.
Und doch herrscht in der Unfallversicherung in diesen Tagen alles andere als entspannte Stimmung. Über Wochen hinweg hatte sich unter den Mitarbeitern Widerstand gegen die Regierungspläne aufgebaut. Die nun präsentierte Strukturreform (siehe Kasten) ändert daran wenig. “Ich verstehe diese unnötige Hast nicht”, sagt AUVA-Vorstandsmitglied Anton Hiden: “Es gibt keine Not, ein neues System einzuführen.” Unverständnis herrscht vor allem deshalb, weil die Maßnahme unter allen von den Sozialpartnern selbstverwalteten Sozialversicherungen ausgerechnet als Erstes die ÖVP-dominierte AUVA trifft. Dabei sei die Antwort dieser Frage ganz einfach, erläutert ein sozialdemokratischer Gewerkschafter: “Erstens wird die Industrie durch diese Maßnahme entlastet, zweitens kann ich mit dieser Aktion unliebsame Führungskräfte auswechseln.”
Der Alleingang
Anton Ofner dürfte keine davon sein. Der AUVA-Obmann hatte noch im Juni verkündet, dass die von der Regierung geforderte Summe von 500 Millionen unmöglich zu erwirtschaften sei. Am Montag präsentierte er aber mit Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein ein Einsparungskonzept über 428 Millionen Euro. Für viele in der AUVA ist das ein Alleingang von Ofner. Tatsächlich soll erst in der Vorstandssitzung der AUVA am 21. August über den Plan abgestimmt werden. Ofner: “Ich kann die Entscheidung des Vorstandes nicht präjudizieren, aber ich kann ihm nur empfehlen, das Paket anzunehmen.” Nachsatz: “Und ich bin zuversichtlich, dass er das tun wird.”
Den Optimismus teilen nicht alle. Laut einem AUVA-Kenner sitzen sich in besagtem Vorstand sieben Arbeitnehmer-und sieben Arbeitgebervertreter gegenüber, nur wenige von ihnen sind mit der Reform zufrieden. “Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ofner für die Gründung einer Betriebsgesellschaft eine Mehrheit bekommt”, so ein anderer Insider. Dieses Mal seien sich nämlich schwarze und rote Arbeitnehmervertreter in der Sache einig. Komme es wider Erwarten doch zu einer Pattsituation, habe Ofner gewonnen: “Steht es sieben zu sieben, zählt die Stimme des Obmanns doppelt.” Darauf zählt Ofner offenbar, ebenso wie auf einen langjährigen AUVA-Grundsatz: “Man widerspricht einem Obmann oder kritisiert ihn nicht.” Dementsprechend entspannt gibt sich Ofner auch im Gespräch mit News: “Ich sehe keine Unruhe im Vorstand.”
Dass es eine solche doch gibt, beweisen News vorliegende interne Protokolle, Briefe und Mails. Demnach gärt es in der Unfallversicherung bereits seit Längerem.
Schon in der ersten Jännerwoche sorgten massive IT-Probleme für Unsicherheit. Nach der Einführung eines neuen Computersystems war das Traumazentrum (das sich die beiden Wiener Unfallkrankenhäuser Meidling und Lorenz-Böhler teilen) fast eine Woche lang ohne Computerunterstützung. In Gedächtnisprotokollen der diensthabenden Ärzte ist zu lesen, dass in dieser Zeit unter anderem Rettungen an andere Spitäler umgeleitet werden mussten, Patienten falsche Diagnosen zugeordnet wurden und falsche OP-Befunde vorlagen. Zumindest solange, bis die erfahrenen Unfallchirurgen kurzerhand auf Papierform umstiegen.
Resultat der “Horrorwoche”, so ein Betroffener, ist ein gemeinsamer Brief der ärztlichen Leiter beider Standorte etwa an den stellvertretenden AUVA-Generaldirektor (siehe Faksimile rechts). Thomas Mück ist nicht nur Projektleiter der Computer-Umstellung, ihm wird auch Interesse an dem Geschäftsführerposten der neugeschaffenen Betriebsgesellschaft nachgesagt (News berichtete). Mück will dazu keine Stellungnahme abgeben.
Der Vertrag
Doch das Hauptproblem in der AUVA ist nicht das Aufdecken von Sparpotenzialen, sondern die interne schlechte Stimmung. Nicht ohne Grund befürchten die Arbeitnehmer-und Arbeitgebervertreter, die in der Selbstverwaltung tätig sind, um ihren Einfluss, wenn die Geschäfte nicht mehr von einem Generaldirektor und Vorstand, sondern von einer Betriebsgesellschaft geführt werden. “Zumindest ist es ein Vorteil, dass es keine Privatisierung geben wird”, sagt ein Funktionär. Dass dem so ist, ist auch dem Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser zu verdanken, sagt zumindest er selbst. Er habe im Juli mit Hartinger-Klein für das Unfallkrankenhaus Klagenfurt festgelegt, dass der Vertrag nur dann Bestand habe, “wenn die AUVA durch eine gemeinnützige und/oder öffentliche Organisation ersetzt” werde. Wenn das in seinem Fall also kein privates Unternehmen sein könne, so Kaiser weiter, gelte das auch für alle künftigen Verträge der AUVA.
Die neue Firma sei aber nur ein Aspekt der ganzen Geschichte, sagt ein anderer hochrangiger AUVA-Funkti0när: “Wenn die Führung chaotisch wird und unerfüllbare Forderungen gestellt werden, können wir leider für nichts garantieren.” Entwarnung gibt es in der Unfallversicherung also noch lange nicht.
pfe.