Bericht im Falter 11.04.2018 :
Das Motto des türkis-blauen Programms: Nehmet der Allgemeinheit und gebet den Großunternehmern. Und am besten spart es sich bei den Errungenschaften des Sozialstaats, deshalb wurde Sozial- und Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) vergangene Woche vorgeschickt, um die eventuelle Auflösung der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) zu verkünden -die von der Regierung geforderten 500 Millionen Euro Einsparung würde der Versicherungsträger ohnehin nicht bewerkstelligen, meinte die Ministerin.
Rund 4,9 Millionen Erwerbstätige, Schülerinnen und Schüler, Studierende und Kindergartenkinder versichert die AUVA gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Eingezahlt werden die Beiträge – im Gegensatz zu anderen Versicherungen – nur vom Arbeitgeber. Der Beitrag beläuft sich derzeit auf 1,3 Prozent der Lohnsumme, wodurch die AUVA zuletzt 1,37 Milliarden Euro im Jahr einnahm. Die AUVA, der reichste Versicherungsträger des Landes, hat sich durch den Ausbau ihrer sieben Unfallkrankenhäuser, drei Rehabilitationszentren und ihr hochqualifiziertes Personal längst vom Rentenzahlungsinstitut zum Unfallkompetenzzentrum entwickelt. Laut Jahresbericht hat die AUVA im Jahr 2016 rund 373.000 Patienten behandelt; 158.000 davon aufgrund von Arbeitsunfällen -der Rest hatte sich in der Freizeit verletzt.
Wenn FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sagt, die Unfallversicherung solle sich auf die Versorgung berufsbedingter Unfälle konzentrieren, klingt das fürs Erste nicht ganz falsch.Die Forderung, Freizeitunfallpatienten künftig durch andere Sozialversicherungsträger versorgen zu lassen, bringt jedoch keine Einsparung -im Gegenteil: Bislang hat die AUVA nämlich die Krankenkassen quersubventioniert. Die Unfallversicherungsanstalt verrechnet für ihre Leistungen den Krankenkassen weniger, bezahlt für deren Leistungen aber mehr.
Geht es nach dem Willen der Regierung, werden in Zukunft die Länder oder die Krankenkassen – also die Allgemeinheit – die Kosten tragen. Oder aber man spart an den Leistungen, also an den Patienten.
Auch die Forderung, die AUVA abzuschaffen, um ihre Unfallspitäler und Reha-Einrichtungen etwa in die Trägerschaft des Bundes zu überführen, um beim Verwaltungsapparat einzusparen, bringt keine Lösung – es würden vergleichsweise lächerliche 90 Millionen Euro gespart (die aktuellen Verwaltungskosten). Aber beim “System” zu sparen klingt halt immer gut.
Die einzigen Gewinner sind Großunternehmer: Zahlten Arbeitgeber bislang bei einem Durchschnittsgehalt von 2500 Euro brutto einen monatlichen Beitrag von 32,50 Euro, zahlen sie künftig nur noch 20 Euro. Kleinunternehmer werden die Reform kaum spüren. Die Allgemeinheit schon.
Birgit Wittstock ist Stadtleben-Redakteurin