Ersteinschätzung Regierungsprogramm durch GPA

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Dies ist eine erste Einschätzung der für uns zuständigen Gewerkschaft, GPA-djp, zum neuen Regierungsprogramm.

Die neue Regierung legt in ihrem Regierungsprogramm einen Vorhabensbericht zur Änderung Österreichs vor. Dabei bleibt so manches noch allgemein formuliert, aber die Grundlinie ist ein klarer Bruch mit der bisherigen Politik.

Diese Analyse konzentriert sich auf einige gewerkschaftspolitisch wichtige Themen. Schon das Vorwort zum Regierungsprogramm zeigt das Weltbild und was wir zu erwarten haben:

Als Problem werden hohe Staatsausgaben und Schulden trotz hoher Abgabenquote, zu viel Regulierung und der ausgebaute Sozialstaat identifiziert. Der führt angeblich dazu, dass es sich nicht mehr auszahlt, zu arbeiten, und zu einer „Einwanderung“ ins Sozialsystem.

 

Regierungsübereinkommen 2017 – 2022  

Daraus abgeleitet werden folgende politische Schlussfolgerungen gezogen:

Entlastung der Wirtschaft: Senkung bei der KöSt – der Steuer auf Gewinne von Kapitalgesellschaften, und Senkung der Lohnnebenkosten, mit denen der Sozialstaat finanziert wird.

– Abbau von ArbeitnehmerInnenschutzvorschriften, insb. auch im Bereich der Arbeitszeiten.

– Verschärfungen für Arbeitslose (Zumutbarkeitsbestimmungen: längere Wegzeiten, Kürzung des Arbeitslosengeldes bei längerem Bezug, Streichung der Notstandshilfe – also „Hartz IV Austria”, nur Anrechnung von 2 Jahren an Zeiten der Arbeitslosigkeit für die Pension). Die Aktion 20.000 hingegen, mit der für Langzeitarbeitslose über 50 Jahre mit öffentlichen Mitteln Arbeitsplätze geschaffen werden, wird infrage gestellt und womöglich nicht durchgeführt bzw. fortgesetzt.

– Entmachtung der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung, Übertragung der Rücklagen in die Länder, Überführung der Beitragseinhebung und -prüfung zur Finanz.

– Angriff auf die Kammern: Es wird zwar nicht die Pflichtmitgliedschaft abgeschafft, aber die Kammern müssen ihre Einnahmen senken. Die Kürzung der Beiträge ist NOCH nicht festgelegt, vielmehr müssen die Kammern selber massiv kürzen (z.B. Beratungsstellen schließen). Sollte dies der Regierung nicht reichen, behält sich diese vor gesetzlich vorzugehen. Die diversen Wahlordnungen werden so wie die Briefwahl infrage gestellt.

– Zusammenlegung der Betriebsratskörperschaften von ArbeiterInnen und Angestellten (ohne Angaben zu Erhalt von Mandaten und Freistellungen).

– Im Pensionsbereich gibt es höhere Mindestpensionen für Langzeiterwerbstätige, aber Verschärfungen für jene, die arbeitslos waren oder krankheitsbedingt berufsunfähig werden.

– Gesellschafts- und bildungspolitisch gibt es eine Reihe von rückschrittlichen Ansätzen (z.B. verpflichtende Ziffernnoten in Volksschulen, Wiedereinführung der Studiengebühren, Entpolitisierung der ÖH, Einführung einer Maximalstudienzeit sowie Einschränkung der Anzahl an Prüfungswiederholungen), wobei der in diesem Bereich gewählte Ansatz auf einem selektiven Bildungssystem beruht.

Das familienpolitische Bild ist ein sehr konservatives. Familie ist nicht als Gemeinschaft von Erwachsenen und Kindern, sondern als Vater, Mutter und gemeinsames Kind definiert.

– Im Bereich Wohnen sind viele Ansätze zur Stärkung der VermieterInnen und Schwächung des Mietrechts (marktkonforme Mieten auch im Altbau, Verschärfungen bei der Abtretung des Mietrechts) angekündigt.

Die Einführung einer Schuldenbremse in der Verfassung schränkt die Handlungsfähigkeit eines Staates unnötig ein. Gerade in Krisenzeiten muss man reagieren und insb. Schulden machen können. Die Erfahrung zeigt, dass Sparen in der Krise, diese leider verlängert und vertieft. Somit wirkt die Schuldenbremse wie eine Gerechtigkeits- und Investitionsbremse.

– Grundrechtlich bedenkliche Vorhaben, z.B. Ausschluss der außerordentlichen Revision an den VwGH bei Asylverfahren (diese Maßnahme wird vom VwGH selbst klar abgelehnt!), Abnahme von Bargeld bei Asylantragstellung zur Deckung der Grundversorgungskosten, Kürzung der BMS auf 365 EUR sowie einen Integrationsbonus von 155 EUR; all diese Maßnahmen zielen darauf ab, AsylwerberInnen zu schikanieren, ihren Rechtsschutz einzuschränken und ihre Rolle als „gesellschaftliche Sündenböcke” zu verfestigen.

– Es soll Änderungen im Briefwahlrecht geben, wonach man immer persönlich bei der Behörde erscheinen muss, und auch andere Wahlordnungen werden überprüft.

– Es finden sich im Regierungsprogramm mehrere Hinweise darauf, dass Eigentumserwerb verstärkt ermöglicht werden muss, denn Eigentum sei die Basis für ein selbstbestimmtes und abgesichertes Leben. Auch der Eigentumsschutz soll ausgebaut werden. Das gilt aber in erster Linie für VermieterInnen und GrundbesitzerInnen. Das Eigentum jener Personen hingegen, die den Arbeitsplatz verloren haben, soll nicht geschützt, sondern verwertet werden. Denn durch die Abschaffung der unbefristeten Notstandshilfe müssen Menschen ohne Arbeit ihr Vermögen bis auf einen Freibetrag von ca. 4.200 EUR verwerten bzw. wird ihr Eigentum belastet. Diese sind künftig nämlich auf die Mindestsicherung angewiesen. Das bedeutet eine Enteignung durch Entzug des Versicherungsschutzes.

Insgesamt lässt sich feststellen, dass durch dieses Programm bestimmte Gruppen gut bedient werden, während es für andere Härten gibt. Arbeitslose, GeringverdienerInnen und MigrantInnen zählen zu den eindeutigen VerliererInnen, während Industrielle, GrundbesitzerInnen und manche Gruppen der stabil Beschäftigten belohnt werden.

Es ist anhand des Programmes ersichtlich, dass sich hier die Wirtschaft bzw. Industrie mit Punkten durchsetzen konnte, denen im Gegenzug keine Verbesserungen für ArbeitnehmerInnen gegenüberstehen. Die Zeit des Abtauschens, wie ausgewogene Lösungen abwertend bezeichnet wurden, ist vorbei. Das bedeutet ganz konkret, dass es keine Symmetrie bei den Maßnahmen gibt.

Arbeitszeitregelungen werden flexibilisiert und die Höchstarbeitszeiten verlängert. Aber ohne dass es irgendeine Maßnahme gibt, die bewirken würde, dass auch die ArbeitnehmerInnen davon Vorteile haben. So gibt es beispielsweise keine leichtere Erreichbarkeit der 6. Urlaubswoche oder die Möglichkeit für ArbeitnehmerInnen nach langen Arbeitszeiten mit Rechtsanspruch ganze Tage freinehmen zu können.

Für die Gewerkschaften ändern sich damit die politischen Rahmenbedingungen grundlegend. Bislang wurden in arbeits- und sozialpolitischen Materien immer die SozialpartnerInnen um Vorschläge ersucht. Das hat bewirkt, dass Änderungen nur dann kamen, wenn diese für beide Seiten akzeptabel bzw. sinnvoll waren. Nun hat die Industrie, durch starke Einflussmöglichkeiten in der neuen Regierung, die Möglichkeit ihre Wünsche einseitig durchzusetzen, ohne dass es eines Ausgleichs bedarf.

Das Regierungsprogramm ist der erste Ausdruck davon und zeigt das schon sehr deutlich. In der konkreten Umsetzung der Punkte, die jetzt noch allgemein angekündigt wurden, wird sich das vermutlich wiederholen.

Aber ein Regierungsabkommen ist ein Vorhabensbericht und manche Punkte sind noch unkonkret formuliert. Die Gewerkschaften werden dafür eintreten, dass es zu keiner Verfestigung einer Politik kommt, die ArbeitnehmerInnen und Arbeitslose gegenüber der Wirtschaft systematisch schwächt.

Angleichung von ArbeiterInnen und Angestellten.

Es soll ein „moderner einheitlicher AN-Begriff” geschaffen werden. Wir gehen davon aus, dass die neue Regierung unter dem „modernen einheitlichen AN-Begriff” einen arbeitsvertraglich einheitlichen ArbeitnehmerInnen-Begriff, der Angestellte und ArbeiterInnen umfasst, meint. Keinen Hinweis gibt es darauf, dass darin auch atypisch Beschäftigte (z.B. freie DienstnehmerInnen) einbezogen sind. Die Bedachtnahme auf unterschiedliche Branchenstrukturen zielt wahrscheinlich auf die Zulässigkeit der Vereinbarung kürzerer Kündigungsfristen (z.B. Tourismus, Baugewerbe) ab (fraglich ist, ob derartige Verkürzungen dann nicht auch bei Angestellten möglich wären).

Die Belegschaftsorgane (Betriebsräte) sollen „angeglichen” werden, damit ist eine Zusammenlegung der BR-Körperschaften gemeint, wobei das Programm keinen Hinweis auf eine Erhöhung der Mandatszahl für den Fall der Zusammenlegung enthält. Das Ziel hierbei ist anscheinend eine Schwächung der Organe der ArbeitnehmerInnenschaft. Das hat nichts mit „Angleichung” zu tun, sondern lediglich mit Reduktion der Mitbestimmung.

Das ArbVG ermöglicht bereits jetzt die Vertretung der Belegschaft durch einen gemeinsamen BR. Dies setzt jedoch voraus, dass sich beide Belegschaftsgruppen dafür bewusst entscheiden.

Abschaffung der Jugendvertrauensräte

Aus gewerkschaftlicher Sicht ist der Plan, den Jugendvertrauensrat abzuschaffen, absolut abzulehnen. Der Jugendvertrauensrat hat die Aufgabe, die Anliegen der Jugend im Betrieb zu vertreten. Der Plan, dass es in Zukunft bereits ab 16 Jahren möglich sein soll, den Betriebsrat zu wählen, ist kein überzeugendes Argument für die Abschaffung des Jugendvertrauensrates.

Prüfung einer gesetzlichen Verankerung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes, wenn keine KV-Regelung vorhanden ist

Hier müssen wir die Entwicklung genau beobachten, denn dies könnte womöglich nur ein erster Schritt sein, um das 13. und 14. Gehalt / Lohn generell im Gesetz zu regeln, und die Gewerkschaften so eines zentralen Elements der KV-Regelung zu berauben.

Anhebung Höchstarbeitszeit

Unter dem Schlagwort „Flexibilisierung und Entbürokratisierung der Arbeitszeitgesetze” plant die neue Regierung eine Verlängerung der täglichen und wöchentlichen Höchstarbeitszeit auf 12 bzw. 60 Stunden. Die tägliche und wöchentliche Normalarbeitszeit in Gesetz und KVen soll hingegen unberührt bleiben. Regelungen, die den ArbeitnehmerInnen nutzen würden – also der von Gewerkschaftsseite in diesem Zusammenhang immer wieder geforderte „Gegenverkehr” (z.B. mehr Zeitautonomie, Rechtsanspruch auf längere zusammenhängende Freizeitblöcke oder 4-Tage-Woche, einseitiges Antrittsrecht bei Zeitausgleich, höhere Zeitzuschläge etc.) – sind allerdings nicht vorgesehen! Auch bei der Gleitzeit soll die tägliche Arbeitszeithöchstgrenze auf 12 Stunden (5x pro Woche) angehoben werden.

Verbetrieblichung

Die Gewerkschaften und Kollektivverträge sollen zugunsten zunehmend betrieblicher und individueller Regelungen umgangen werden. Flexible Regelungen sollen per BV, oder wo es keinen Betriebsrat gibt per Einzelvereinbarung, gestaltet werden können. So heißt es im Regierungsprogramm: „Ziele sind ein weniger restriktiver Gesetzesrahmen und die Stärkung der Gestaltungsmöglichkeiten auf betrieblicher Ebene.”

Ein weiteres Beispiel für die Verlagerung auf die betriebliche Ebene ist die Wochenend- und Feiertagsruhe. Hier konnte der KV zur Verhinderung eines wirtschaftlichen Nachteils sowie zur Sicherung der Beschäftigung Ausnahmen von der Wochenend– und Feiertagsruhe festlegen (§ 12a ARG). Künftig soll dies bis zu 4x pro Jahr auch auf der Betriebsebene möglich sein. Es werden also GPA-djp Grundlagen – 22.12.2017 4

nicht nur die Arbeitszeithöchstgrenzen ausgedehnt, sondern auch die Ruhezeiten sollen in Zukunft leichter verkürzt werden können.

Wirksamkeit der Strafen abbauen – Einschränkung des Kumulationsprinzips

Eine geplante Reform des Verwaltungsstrafrechts soll vorsehen, dass es künftig nur mehr eine Strafe statt einer Mehrfachbestrafung gibt und das Prinzip „Beraten statt Strafen” in den jeweiligen Materiengesetzen verankert wird. Dadurch wird die „Einpreisung” von systematischen Verwaltungsübertretungen attraktiv gemacht, und die Verwaltungsstraftatbestände, die in ArbeitnehmerInnenschutzgesetzen enthalten sind (insb. AZG, ARG, ASchG) würden einiges an ihrer abschreckenden Wirkung einbüßen.

Lohn- und Sozialdumping

Die geplante Einschränkung des Entgeltbegriffs des LSDBG auf den Grundlohn/-gehalt plus Sonderzahlungen (ausgenommen Baubranche) wäre ein Rückschritt, da dann z.B. nicht bezahlte Überstunden/Zulagen etc. nicht mehr unter strafbares Lohn- und Sozialdumping fallen würden.

ArbeitnehmerInnenschutz

Hinsichtlich bislang geltender ArbeitnehmerInnen-Schutzstandards lässt das Regierungsübereinkommen einen Kahlschlag befürchten, der sich vor allem im Kontext der geplanten Maßnahmen zum Bürokratieabbau und der Reduktion von Vorschriften abspielen soll. Im AschG gibt es eine Reihe von Bestimmungen und Durchführungsverordnungen, die besser sind als EU-Mindestvorschriften und die durch die Rücknahme von „Gold Plating” fallen könnten.

Zur Gesamtstrategie der Regierung passen auch Vorhaben, wie das Zurückstutzen der Aufgaben der Arbeitsinspektion auf Service und Beratung und die in den Raum gestellte Abschaffung der AUVA, was de facto die Einstellung der Prävention arbeitsbedingter Gefahren und Gesundheitsrisiken bedeuten würde.

Angriff auf die Arbeiterkammer: noch nicht detailliert, aber fixiert

Die Pflichtmitgliedschaft in der Arbeiterkammer wird zwar nicht infrage gestellt, aber es wird gefordert, dass sie ihre Leistungen einschränkt. Die AK und andere gesetzliche Interessensvertretungen müssen bis zum 30. Juni 2018 vorlegen, wie sie durch „Effizienzsteigerungen” finanzielle Entlastungen für die Mitglieder vorsehen. Die AK soll also selbst vorschlagen, welche ihrer Leistungen, Bezirksstellen oder Service Center gestrichen und aufgelöst werden. Die Regierung wir dann beurteilen, ob ihr das weitreichend genug ist. Ansonsten behält sich die Regierung gesetzliche Maßnahmen, wie eine Kürzung der AK-Umlage (mit der die AK finanziert wird) vor.

Sozialversicherung: neue Struktur

– Reduktion der Sozialversicherungsträger von 21 auf maximal 5 Träger;

– die Zusammenlegung der Gebietskrankenkassen zu einer öst. Krankenkasse (ÖKK);

– die Gebietskrankenkassen müssen ihre Rücklagen abgeben, den Trägern der ArbeiterInnen und Angestellten werden ihre Mittel entzogen;

– die Zurückdrängung bzw. Abschaffung der Selbstverwaltung durch Einführung von durch die Regierung entsandten BundesvertreterInnen;

– die Senkung der Beiträge in der AUVA und die angedrohte Auflösung der AUVA;

– die Einhebung und Prüfung der Beiträge werden der Sozialversicherung weggenommen und den Finanzämtern übertragen. D.h. die Sozialversicherung ist darauf angewiesen ihre Mittel vom Bund zu bekommen. GPA-djp Grundlagen – 22.12.2017 5

Kostenverschiebungen, um die Wirtschaft zu entlasten

Generell sollen Lohnnebenkosten überall dort gesenkt werden, wo es sich um reine ArbeitgeberInnenbeiträge handelt und die Kosten werden in Systeme verschoben, in denen auch ArbeitnehmerInnen Beiträge zahlen. Es kommt zu Kostenverschiebungen von der Unfallversicherung zur Krankenversicherung, vom Familienlastenausgleichsfonds zur Krankenversicherung und vom Insolvenzentgeltfonds zur Arbeitslosenversicherung.

Die Vorschläge zur Reform der Sozialversicherung stellen einen Bruch mit dem bisherigen System dar. Die Sozialversicherung wird de facto „redimensioniert”.

Aus für Selbstverwaltung („Partizipative Selbstverwaltung”)

Künftig droht, dass die VersichertenvertreterInnen in den eigenen Kassen nur noch die Minderheit der VertreterInnen haben. D.h. in den Trägern, in denen die ArbeitnehmerInnen versichert sind, werden die ArbeitgeberInnen und BundesvertreterInnen die Mehrheit haben.

Beitragssenkung AUVA – 40 % weniger Einnahmen!

Der AUVA-Beitrag soll um über 500 Mio. EUR gesenkt werden, um die Unternehmen zu entlasten. Der Beitragssatz soll von 1,3 % auf 0,8 % reduziert werden. Hintergrund ist, dass die UV von den ArbeitgeberInnen finanziert wird und durch Kostenverlagerungen die DienstgeberInnenbeiträge gesenkt werden können. Die Wirtschaft wird damit entlastet.

Die Rücklagen der Krankenkassen, und zwar ausschließlich die der Gebietskrankenkassen, sollen den Bundesländern für die Gesundheitsreform übertragen werden (Übertragung an die Landesgesundheitsfonds). Die Sonderversicherungsträger, die teilweise viel höhere Rücklagen haben, werden diese hingegen behalten.

Verlegung der Prüfung und Beitragseinhebung zur Finanz

Die neue Regierung will, dass nicht mehr die Krankenkassen, sondern die Finanzämter die Beiträge für die Sozialversicherung einheben und prüfen. Derzeit heben die Finanzämter die Steuern und die Krankenkassen die SV-Beiträge ein. Hier geht es nicht um eine organisatorische Frage oder gar mehr Effizienz, sondern darum eine effektive Kontrolle von Unterentlohnung und Scheinselbständigkeit zu beseitigen!

Gesundheitspolitik

Die Ziele bessere Versorgung von Kindern, Stärkung der integrierten Versorgung und weiterer Ausbau der Primärversorgung sind im Sinne der PatientInnen und sinnvoll. Die Novelle des neuen PHC-Gesetzes in Richtung Flexibilisierung für ÄrztInnen lässt hingegen befürchten, dass die Definition von Primärversorgung (lange Öffnungszeiten, Arbeiten im Team durch integriertes Angebot mit Gesundheitsberufen und SozialarbeiterInnen) aufgeweicht wird und alle allgemeinmedizinische Versorgungsformen als neue Primärversorgung nach dem PHC-Gesetz gelten. Einzelordination mit geringen Öffnungszeiten, ohne andere Gesundheitsberufe und ohne Koordinierung mit anderen Gesundheitseinrichtungen sind aber eben keine Primärversorgung.

Selbstbehalte sollen neu ausgerichtet werden. Aus gewerkschaftlicher Sicht sind allgemeine Selbstbehalte abzulehnen. Wir streben eine Begrenzung und Deckelung und keinen Ausbau von Selbstbehalten an. Die Forderung nach Reduktion der Überregulierung für private AnbieterInnen lässt den Schluss zu, dass private GesundheitsanbieterInnen stärker in die Gesundheitsversorgung einbezogen werden sollen.

Pensionen

Eine Reihe von Ankündigungen bezieht sich auf Maßnahmen zur Bekämpfung der Altersarmut, was insbesondere durch Änderungen bei der Ausgleichszulage umgesetzt werden soll: bei 30 GPA-djp Grundlagen – 22.12.2017 6

Beitragsjahren soll die Ausgleichszulage durch einen Zusatzbetrag auf 1.000 EUR aufgestockt werden, bei 40 Beitragsjahren auf 1.200 EUR, bei Familien auf 1.500 EUR1.

1 Bei der erhöhten Familienausgleichszulage von 1.500 EUR pro Monat stellt sich ein steuerrechtliches Problem. Die Ausgleichszulage ist grundsätzlich steuerfrei. Ein regelmäßiges Einkommen von 1.500 EUR pro Monat ist jedoch steuerpflichtig. Auf Grund der Steuerfreiheit der Ausgleichszulage hätte ein Ehepaar mit einem Anspruch auf die erhöhte Familienausgleichszulage von 1.500 EUR pro Monat somit ein höheres Nettoeinkommen als ein PensionistInnenehepaar, wo beispielsweise ein Ehepartner eine Eigenpension von 1501 EUR bezieht und die Ehegattin keinen Pensionsanspruch hat.

Die in den Raum gestellte Reduzierung der anrechenbaren Arbeitslosen- und Krankengeldzeiten bei Frühpensionierungen, lässt einen erschwerten Zugang bei der Korridorpension und bei der Schwerarbeitspension erwarten. Dass nur noch 2 Jahre der Arbeitslosigkeit als Versicherungszeiten angerechnet werden sollen, ist ein harter Schlag für die Pensionshöhe derer, die den Arbeitsplatz verloren haben und daher abzulehnen.

Vorgesehen ist auch die Ablöse des Berufsschutzes durch einen Einkommensschutz und die Einführung eines Teilpensionsrechtes als Einkommensschutz, wenn der erlernte (höher bezahlte Beruf) aufgrund körperlicher Gebrechen nicht mehr ausgeübt werden kann. Es ist anzunehmen, dass der Zugang zu den krankheitsbedingten Pensionen durch diese Umstellung weiter erschwert wird, z.B. wenn aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen in einem geringeren Arbeitszeitausmaß gearbeitet wurde.

Bei der Altersteilzeit ist geplant, das früheste Antrittsalter um zwei Jahre anzuheben (für Frauen auf 55 Jahre, für Männer auf 60 Jahre).

Pflege

Es ist eine Reform der 24-Stunden-Betreuung angekündigt, die in einem Satz mit der angestrebten Entlastung im Bereich der Pflegeheime genannt wird, wohl um den Finanzierungsbedarf im Zuge des entfallenen Pflegeregresses einzudämmen. Die angekündigte Erhöhung des Pflegegeldes soll erst ab der Pflegegeldstufe 4 greifen, was bedeutet, dass mehr als zwei Drittel der PflegegeldbezieherInnen keine Erhöhung erhalten.

Arbeitslosenversicherung und Mindestsicherung

In den Bereichen Arbeitslosenversicherung und Mindestsicherung zeichnen sich durch die angekündigten Maßnahmen der Bundesregierung gravierende Verschlechterungen ab. De facto führt die neue Regierung das Hartz IV System in Österreich ein. Die Leistungshöhe in der Arbeitslosenversicherung NEU soll degressiv gestaltet, die Notstandshilfe abgeschafft und in die Arbeitslosenversicherung integriert werden. Nach einer gewissen Zeit des Leistungsbezuges würden Langzeitarbeitslose in die Mindestsicherung fallen, was für Betroffene bedeutet, dass der Anspruch auf Leistungen mit der Verwertung ihres Vermögens verbunden ist und ihnen so bei Langzeitarbeitslosigkeit keine oder eine nur sehr geringe Unterstützung zustehen würde.

Verschärft werden auch die Zumutbarkeitsbestimmungen bei der Jobvermittlung, indem Wegzeiten bei Teilzeitbeschäftigung von derzeit 1,5 auf 2 Stunden und bei Vollzeitarbeit von derzeit 2 auf dann 2,5 Stunden angehoben werden.

Geplant ist auch, die Mangelberufsliste zu regionalisieren und die Einkommensgrenze bei der Rot-Weiß-Rot-Karte zu senken. Auch bei Berufen, in denen österreichweit kein Mangel besteht, wäre dann egional eine Beschäftigung aus Drittstaaten möglich, was insgesamt zu einer Vervielfachung der Mangelberufe führen würde.

Bei der Mindestsicherung ist eine Deckelung der Leistung auf 1.500 EUR pro Familie geplant, Kinderzuschläge werden mit dieser Begrenzung gestrichen. Außerdem erhalten nur mehr jene Personen die Mindestsicherung, die in den letzten sechs Jahren mindestens fünf Jahre in Österreich gelebt haben. GPA-djp Grundlagen – 22.12.2017 7

Frauen

Ein vergleichsweise kurzes Kapitel im Regierungsprogramm behandelt frauenspezifische Themen, wobei diesen z.B. auch die Reform der Schulferien zugeordnet wird. Dass der das Kapitel einleitende Text auch gleich an erster Stelle die hohe Verantwortung von Frauen für die Bereiche Erziehung, Pflege und Bildung hervorhebt, ist im Sinne der Regierung nur konsequent und veranschaulicht das hier vorhandene Weltbild. Im Bereich Arbeitsmarkt soll gemeinsam mit den SozialpartnerInnen Diskriminierungen in allen KVen geprüft und beseitigt werden. Hinsichtlich Vereinbarkeit Beruf und Familie wird auf Wahlfreiheit gesetzt.

Bildung

Im Bildungsbereich wird ein Maßnahmenpaket beschrieben, das an dem differenzierten und selektiven Schulsystem festhält. Die Neue Mittelschule wird auf jene jungen Menschen ausgerichtet, die anschließend eine Lehre machen. Es werden wieder Studiengebühren eingeführt. Ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr wird nur für Kinder mit keinen oder mangelnden Deutschkenntnissen eingeführt. Das Motiv der Integration wird durch Selektion und Elitenförderung ersetzt. Insofern bedeutet das Vorhaben im Bildungsbereich eine Abkehr von den eingeleiteten Reformen auf Basis eines konservativen Bildungsverständnisses. Im Rahmen dieser selektiven Ausrichtung ist auch das Bekenntnis zu einer Stärkung der Sonderschulen zu sehen.

Zudem möchte die neue Regierung wieder Studiengebühren einführen und plant auch Verschärfungen bei der Anzahl der Prüfungswiederholungen sowie die Festlegung einer Maximalstudienzeit. Davon wären insb. Studierende von nicht wohlhabenden Eltern betroffen, da sie sich ihr Studium durch eine begleitende Erwerbstätigkeit finanzieren müssen.

Steuern

Nach den großen Ankündigungen des Wahlkampfes (Steuerreform mit einem Entlastungsvolumen zw. 12 und 14 Mrd. EUR) enthält das Kapitel bis auf den bereits medial kolportierten Familienbonus und einer Senkung der Umsatzsteuer für Übernachtungen (von 13 % auf 10 %) kaum konkrete Pläne. Als mittelfristiges Ziel wird die „Senkung der Steuer- und Abgabenquote „in Richtung 40 Prozent” formuliert (das entspricht einem Volumen von 10 – 12 Mrd. EUR!). Auch bei der KöSt soll es zu Senkungen kommen.

Familien sollen durch einen „Abzugsbetrag” von bis zu 1.500 EUR pro Kind und Jahr gefördert werden. Der Abzugsbetrag steht bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres zu, sofern ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht und das Kind in Österreich lebt. Der „Familienbonus Plus” ist nicht negativsteuerfähig, sodass GeringverdienerInnen davon nicht profitieren. Die mangelnde Negativsteuerfähigkeit bedeutet, dass ca. 1,5 Mio. Lohnsteuerpflichtige (= ca. 1/3 der ArbeitnehmerInnen) aufgrund ihres Einkommens unterhalb der Steuergrenze von dieser Maßnahme nicht profitieren werden! Das betrifft insb. Frauen (ca. 45 % der weiblichen ArbeitnehmerInnen verdienen unterhalb der Steuergrenze) und AlleinerzieherInnen (90.000 der 150.000 AlleinerzieherInnen hätten vom Bonus gar nichts).2

2 Vgl. https://derstandard.at/2000070501182/regierungsprogramm-oevp-fpoe-kurz-strache-steuern (18.12.2017)

Anhebung der Staffelung bei den Arbeitslosenversicherungsbeiträgen

Als weitere kurzfristige Entlastungsmaßnahme wird eine Reduktion des AlV-Beitrags für niedrige Einkommen angekündigt. Für Personen, die unter der Steuergrenze liegen, bringt die Erhöhung der AlV-Staffel allerdings nichts, da sie schon bislang keine AlV-Beiträge gezahlt haben. Das unterste Einkommensdrittel geht somit – ebenso wie beim Familienbonus Plus – leer aus!

Wegfall der staatlichen Gebühren und Steuern im Zusammenhang mit dem Eigentumserwerb GPA- Die staatlichen Gebühren beim Erwerb eines Eigenheims (Grunderwerbsteuer, Grundbucheintragungsgebühr etc.) sollen wegfallen. Der Erwerb von (Immobilien-)Eigentum scheitert i.d.R. jedoch nicht an den zu entrichtenden – und sachlich gerechtfertigten – Steuern und Abgaben, sondern am fehlenden Einkommen bzw. Kapital für den Erwerb (v.a. versursacht durch die hohen Grundstücks- bzw. Immobilienpreise). Zu Maklergebühren findet sich nichts.

Senkung der Unternehmensbesteuerung und der Lohnnebenkosten

Als Ziel wird eine Senkung der KöSt – insb. auf nicht entnommene Gewinne sowie im Hinblick auf die Mindest-KöSt – definiert. Sowohl ÖVP als auch FPÖ haben im Wahlkampf eine Senkung um die Hälfte bzw. die komplette Abschaffung der KöSt auf nicht entnommene Gewinne gefordert. Eine Halbierung würde rd. 2 Mrd. EUR, eine komplette Abschaffung ca. 4 Mrd. EUR kosten. Dass damit Investitionen gezielt gefördert werden, kann nicht behauptet werden. Dazu Steuerexperte Werner Doralt: “Die Begünstigung gibt es ja, ganz gleichgültig, ob der Unternehmer das Geld anspart oder investiert.”3

3 derstandard.at/2000063657291/OeVP-Senkung-der-Unternehmenssteuer-kostet-vier-Milliarden (22.12.2017)

Zudem sollen die Lohnnebenkosten deutlich reduziert werden und zwar konkret der DienstgeberInnenbeitrag zum FLAF sowie der UV-Beitrag. Beim UV-Beitrag gibt es ein konkret formuliertes Ziel, nämlich eine Senkung um 0,5 % auf 0,8 %. Dies entspricht einem Volumen von ca. 500 Mio. EUR. Der FLAF-Beitrag wird 2018 im Endausbau, der 2015 beschlossenen Beitragssenkung, bereits auf 3,9 % gesenkt. Die bislang durchgeführten Senkungen entsprechen bereits einem Entlastungsvolumen von ca. 1 Mrd. EUR. Um wie viel der FLAF-Beitrag gesenkt werden soll, wird nicht erläutert. Die Lohnnebenkostensenkung soll ohne Leistungsreduktionen erfolgen, es bleibt jedoch offen, wie das konkret funktionieren soll.

Steuervermeidung von Konzernen – „digitale Betriebsstätte”

Positiv zu bewerten ist, dass die Regierung eine „digitale Betriebsstätte” auf OECD- oder europäischer Ebene einführen, bzw. eine solche in bestehenden und neuen Doppelbesteuerungsabkommen berücksichtigen möchte. Offen bleibt jedoch was passiert, wenn es auf internationaler bzw. europäischer Ebene zu keiner Einigung kommt (was sehr wahrscheinlich ist).

Europapolitik & Internationales

Deregulierung ist das bestimmende Element der EU-Agenden im Regierungsprogramm 2017 – 2022. Bedürfnisse der ArbeitnehmerInnen, gewerkschaftliche Forderungen und Maßnahmen für ein soziales Europa finden sich nicht einmal am Rande des Programmes. Besonders auffällig ist, dass die Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping keine Rolle spielt. Die Positionierung zu Freihandel ist sehr allgemein und knapp gehalten: Es ist keine Rede von Arbeitsrechts- und Sozialstandards sowie von einer Absage zu privilegierten Klagerechten für Konzerne.

Das EU-Kapitel enthält wenig Konkretes und erst recht nichts (sozialpolitisch) Fortschrittliches. Gefordert wird eine EU, die sich weitgehend zurückhält und ein breites Deregulierungsprogramm („Sunset-Clause”, Verbot von „Gold-Plating”, „One-in-one-out”). Soziale Standards und ArbeitnehmerInnen-Rechte spielen keine Rolle – es zeigt sich die eindeutige Handschrift der Industriellenvereinigung.

Wohnen und Mietrecht

Im Wohnrecht (MRG, WGG, WEG) sind auf Basis des Regierungsprogrammes nachteilige Änderungen für MieterInnen (MRG, WGG) und Nutzungsberechtigten (WGG) vorgesehen. Die Position der EigentümerInnen und VermieterInnen wird gestärkt. Mit den geplanten Maßnahmen werden die Mieten steigen und nicht sinken. Das bedeutet, vor dem Hintergrund der bereits stark gestiegenen Mieten, eine Problemverschärfung. Es soll ein neues Mietrecht geschaffen werden. Aufgrund der konkreten Punkte, auf die sich die Regierungsparteien geeinigt haben, wird dieses die Position der GPA-djp Grundlagen – 22.12.2017 9

MieterInnen deutlich schwächen. Es sollen „marktkonforme Mieten” bei Neubauten und bei gesamtsanierten Gebäuden durchgesetzt, also die Mieten, erhöht werden. Für BesserverdienerInnen im kommunalen und gemeinnützigen Wohnbau soll es regelmäßige Mietzinsanpassungen geben. Eigentum und Mietkauf sollen gestärkt werden. Der Lagezuschlag bei Gründerzeitgebäuden wird zugelassen. Das Eintrittsrecht in Mietverträge wird eingeschränkt.

 

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